Dieser ECCEROBOT (Embodied Cognition in a Compliantly Engineered Robot) ist eine kleine Sensation. Der Oberkörper mit einem Arm ist zunächst auf eine Plattform mit Rädern aufgesetzt. Der offene Torso zeigt Knochen, Muskeln und Sehnen. Die innere Struktur und die Mechanismen des menschlichen Bewegungsapparats werden kopiert. Im Rahmen dieses Projekts wurde auch ein Roboterarm mit 3D-Druckteilen entwickelt. Michael Jäntsch (TU München) und Alexander Panos (awtec AG für Technologie und Innovation Zürich) waren bei der Entwicklung des Roboterarms dabei, 1zu1 Prototypen brachte ihr Prototyping Know-how ein.
2000 hat Honda den humanoiden Roboter Asimo geschaffen und einen Durchbruch erzielt. Was sind die größten Probleme bei der Entwicklung von humanoiden Robotern?
Michael Jäntsch: Auf die größten Probleme stößt man überall in der Robotik, wenn ein Roboter sich in unstrukturierten Umgebungen bewegen soll. Beim Asimo wurde ein Roboter geschaffen, der wie ein Industrieroboter eigentlich noch steife Gelenke hat. Hier kommt man jedoch relativ schnell an Grenzen. Bei diesem ECCEROBOT sind wir einen Schritt weitergegangen und haben flexible Antriebe in den Roboter eingebaut. Das ist natürlich noch einmal eine Komplexitätsstufe mehr.
Sie sprechen von einem anthropomimetischen Roboter. Was verstehen Sie darunter?
Michael Jäntsch: Es gibt ja schon lange den Begriff anthropomorph, also dem Menschen ähnlich. Mit dem Begriff antropomimetisch sind wir einen Schritt weitergegangen und haben eben auch die inneren Mechanismen des Menschen abgebildet, Muskeln, Sehnen, das Skelett. Es geht also um die Mimikri des Systems. Auf youtube gibt’s ein Filmchen von unserem Roboter, das zeigt, was ich meine.
Die Prämisse war: Ohne Körper macht das keinen Sinn. Der Roboterarm, den Sie gebaut haben ist einfach, kostengünstig und flexibel reproduzierbar. Wie macht man das?
Alexander Panos: Das heißt, dass man das System anpassen und flexibel reproduzieren kann. Das ist auch der Unterschied zum Vorgängermodell. Das war ja noch von Hand gefertigt, die Reproduzierbarkeit war praktisch gar nicht gegeben.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?
Alexander Panos: Die sinnvolle Anordnung aller Teile. Wir mussten den Roboter so zusammenbauen, dass wir die Funktionen erreichten, ohne dass man einen großen Koffer nebenbei stehen hat, sodass man eigentlich dann den anthropomimentischen Ansatz wieder zunichte gemacht hätte. Das war ursprünglich die Herausforderung, dass man alle Teile quasi im Roboter selbst unterbringen kann.
Wieso habt ihr euch an 1zu1 Prototypen gewandt?
Alexander Panos: awtec AG für Technologie und Innovation arbeiten schon lange mit 1zu1 Prototypen zusammen. Schon die Vorgespräche zum Projekt haben gezeigt, dass bei 1zu1 die Technologien viel mehr können als wir überhaupt wussten. Wir haben jedenfalls eine Beratung auf Augenhöhe bekommen und konnten mit dem neuesten technischen Stand rechnen, um zu konstruieren. Mit 1zu1 sind wir sehr zufrieden, bezüglich Preis und Qualität. Und weil wir von der hohen Qualität überzeugt sind, landen wir immer wieder bei 1zu1.
Wieso arbeitet die TU München überhaupt an Robotern?
Michael Jäntsch: Bei der humanoiden Robotik gibt’s in Europa relativ wenig Forschung bisher, oder sie fängt gerade erst an. Japan ist bei der Entwicklung schon weiter. Speziell bei diesem sehnengetriebenen Roboter ist die Komplexität sehr hoch und wir vom Projekt ECCEROBOT und ein Projekt in Japan sind eigentlich weltweit die einzigen, die so was machen. Die TU ist also in diesem Segment wirklich führend.
Welche Rolle spielte 1zu1 Prototypen bei der Entwicklung des Roboterarms?
Dominik Maccani: Hannes Hämmerle hat mir das Projekt übergeben, es war für mich unglaublich spannend, zu sehen, was in dieser Richtung passiert. Mit unserem Know-how konnten wir Bauteile, die im klassischen Maschinenbau aus mehreren Elementen bestehen, hier mittels angewandter Laser Sintertechnik quasi „aus einem Guss“ erzeugen, zusammenfügen, mit Scharnieren versehen usw. Unsere Erfahrung, was heute machbar ist, konnten wir bei der Konstruktion mit einbringen. Die Projektpartner haben sich darauf gestützt und nach unseren Vorgaben konstruiert. So haben wir das Optimale erreicht.
Im Maschinen- und Vorrichtungsbau wird noch fast nie nach unseren technologischen Möglichkeiten konstruiert. Das ECCEROBOT-Projekt zeigt aber, wohin die Reise noch gehen kann, wenn man die Dinge gemeinsam weitertreibt. Wir lernen mit jedem herausfordernden Projekt mehr.
Schlaue Vorrichtungskonstrukteure kennen unsere Möglichkeiten im Additive Manufacturing, die wir auch gerne weiter vermitteln, und nutzen diese Neuerungen. Die Projekte werden zudem viel rascher realisierbar – und dabei um ein Vielfaches kostengünstiger als bei der klassischen Konstruktionsmethode.
Robota entstammt dem slawischen und bedeutet Arbeit oder Fronarbeit. Welche Einsatzgebiete sehen Sie für ECCEROBOT? Stichwort Dienstleistungsroboter?
Michael Jäntsch: Also wir sehen das mehrgleisig. Von der wissenschaftlichen Seite war ein Hauptfaktor, zu verstehen, wie der Mensch einen derart komplexen Körper bewegen kann. Das war eines der Hauptziele. Und auch herauszufinden, wie ein Bewusstsein entsteht, wie Kognition entsteht. Das andere ist, dass man sich in Zukunft gewisse Anwendungsgebiete vorstellen kann, wie etwa die Servicerobotik, wo man etwa einen menschenähnlichen Roboter in den Haushalt stellt, der dann die Spülmaschine einräumt, Arbeiten erledigt, etc.
Alexander Panos: Das Ziel ist uns jedenfalls nicht egal und wir sehen da ein großes Potential vor allem an den Schnittstellen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter. Überall wo Menschen und Roboter zusammen funktionieren sollen, kann man für den Menschen die Arbeit stark erleichtern, nicht nur in der Pflege, auf allen möglichen Gebieten, auch beim Thema Sicherheit zum Beispiel.
Orientieren sich die Wissenschaftler in der Robotik auch an ethischen Grundsätzen? Zum Beispiel, Roboter spielen verrückt und wenden sich gegen die Menschen, wie etwa beim Terminator?
Michael Jäntsch: Das ist natürlich Science Fiction. Wir sind ja noch sehr, sehr weit weg, dass so was überhaupt realisierbar ist, und wenn, dann ist ja die Arbeit von uns nur ein ganz kleiner Baustein. Wissenschaftler lassen sich dabei sicher nicht aufhalten, nur weil es eventuell sein könnte, dass eine Entwicklung missbraucht wird.
Was hat euch beide eigentlich motiviert, in die Robotik einzusteigen?
Michael Jäntsch: Wenn man aus dem Bereich der Informatik kommt, ist das Spannende daran, dass man eigentlich gleich sieht, dass sich was bewegt. Das macht die Faszination aus. Man programmiert und dann bewegt sich was. Zudem lässt es sich in der Forschung sehr frei arbeiten. Die Forschungs-Bedingungen an der TU sind wirklich sehr gut.
Alexander Panos: Ich komme ja von der Biomedizin und genieße vor allem die Vielfalt bei meiner Arbeit. Da ist immer wieder so ein robotisches Projekt dabei. Das ist dann immer eine optimale Zusammenführung meines gesamten Wissens. Wenn es um die humanoide Robotik geht, kann ich auf meinen medizinischen Background zurückgreifen. Das ist sehr anwendbar und auch die Nähe zur eigenen Kreation und Entwicklung ist einfach unübertroffen.
Dominik Maccani, was fasziniert dich persönlich an der Robotik?
Dominik Maccani: Das Besondere daran ist, dass es hier nicht um die Entwicklung eines Alltagsgegenstandes, wie zum Beispiel einer Kaffeemaschine, geht. Hier tauchen wir in ein spezielles Feld ein, man kennt ja allgemein Roboter aber humanoide Roboter, das ist schon was Neues. Das fasziniert mich. Wir bei 1zu1 haben in Rapid Manufacturing Verfahren konkret verschiedene Teile vom Arm gemacht, vor allem auch die Hand, in mehreren Ausführungen, das Endteil war dann das ganze Teil. Lasergesintert aus Polyamid, also nicht wie beim Vorgängermodell. So können wir die Teile immer wieder reproduzieren, direkt aus der Maschine, aus dem Datensatz.
Wie muss man sich die Zusammenarbeit generell bei so einem komplexen Projekt vorstellen? München, Zürich, Dornbirn. Wie funktioniert da die Kommunikation?
Alexander Panos: Wir nutzen alle Kommunikationskanäle, man hat ja viele Möglichkeiten. Man muss sie nur richtig einsetzen. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, wenn man komplexe Diskussionen per Mail führt oder um mal „Gruezi“ zu sagen direkt nach München fährt. Es ist aber immer wieder eine große Herausforderung, dass man genau die Kommunikationsmittel wählt, die der Sache entsprechen.
Geht die Projektentwicklung weiter bei diesem ECCEROBOT?
Michael Jäntsch: Bei uns geht die Forschung auf jeden Fall weiter. Ebenso bei anderen Projektpartnern aus dem ECCEROBOT Projekt. Die Kontakte sind ja geknüpft.
Alexander Panos: Bei uns ist es ein wenig anders, weil wir ja Dienstleister sind, und Projekte abschließen, aber die Entwicklung geht auch hier sicher weiter.
In Foren ist vielfach vom Mori-Effekt zu lesen: Angst und Ekel gegenüber dem perfekten Kunstgeschöpf, das an ein Frankenstein-Geschöpf erinnert? Wie steht es mit dem Schöpfungsehrgeiz, Mensch spielt Gott?
Michael Jäntsch: Also bei diesem Projekt merkt man schon, dass die weißen, knochenartigen Strukturen und die Sehnen, eine große Faszination ausüben, und die Frage nach der Ethik ist immer da, aber als abstoßend habe ich es eigentlich nie empfunden, es gab sogar Kinder, die den Roboter schon in den Arm genommen haben. Wenn das Ganze dann mit einer Haut überzogen werden würde, dann würde es beginnen, komisch zu werden für den Menschen. Man spricht dann auch vom so genannten Uncanny Valley, also, je näher man an den Menschen herankommt, desto mehr Akzeptanz gewinnt der Roboter, aber irgendwann geht’s dann runter, weil es zu nahe ist. Das vermutet man. Erst wenn man den Menschen ganz genau getroffen hat, dann würde die Akzeptanz wieder steigen.
Alexander Panos: Ich sehe das ähnlich. Solange man das noch vom Menschen trennen kann ist die Akzeptanz hoch, aber wenn es fast perfekt ist, dann kann der Mensch das nicht mehr so einfach verarbeiten, das ist wie ein Bruch mit der Realität. Das offensichtlich Falsche wird besser akzeptiert als das fast Perfekte.
Noch eine Frage: Wie sehen Sie den Zeithorizont. Wann gibt’s den ersten menschlichen Roboter?
Michael Jäntsch: Es gibt eine Ansage, dass man 2050 ein menschliches Team im Fußball schlagen möchte mit Robotern, aber das heißt ja nur, dass man im Fußball sehr gut wäre, einen perfekten menschlichen Roboter zu bauen, das dauert sicher noch weitere 50 bis 100 Jahre.Alexander Panos: Wir haben ja noch nicht mal ganz verstanden, wie die menschliche Intelligenz funktioniert. Und bevor wir das nicht komplett verstehen, können wir keinen perfekt menschlichen Roboter bauen.
Die Fragen an Michael Jäntsch (TU München), Alexander Panos (awtec AG für Technologie und Innovation Zürich) und Dominik Maccani (1zu1 Prototypen) hat Hermann Braendle gestellt.