Automatisierungsspezialist Festo nimmt sich für technische Meisterleistungen die Natur zum Vorbild. Dazu hat das Familienunternehmen aus Esslingen am Neckar 2006 das Bionic Learning Network ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Partnern widmet sich Festo der Biologisierung der Automatisierungstechnik. Seit 15 Jahren steht auch das Fliegen auf dem Programm. Das jüngste und bis dato kleinste Flugobjekt ist die BionicBee. Sie wiegt bei einer Spannweite von 240 Millimetern nur 34 Gramm und fliegt dennoch sicher und selbständig im Schwarm.
Weil es in der Luft auf jedes Gramm ankommt, hat das Entwicklungsteam von Festo Schritt für Schritt die Konstruktion minimiert – und über generatives Design per Software die optimale Struktur ermittelt. Der tragende Rahmen war von Anfang an für die additive Fertigung konzipiert. Bei der Gewichtsreduktion kam Festo mit den eigenen SLS-Anlagen jedoch an die Grenzen – und damit 1zu1 mit der FDR-Technologie ins Spiel. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 0,9 Millimeter dünne Streben ergeben beim etwa 20 Zentimeter großen Bauteil ein Gewicht von gerade einmal 3 Gramm – das entspricht einem Zuckerwürfel. Schritt für Schritt sank durch Designoptimierungen und den Wechsel des Fertigungsverfahren das Gewicht der BionicBee.
Pünktlich zum Erstflug auf der Hannover Messe im April 2024 lieferte 1zu1 gleich 20 Stück der innovativen BionicBees. Mattias-Manuel Speckle, Leiter Additive Manufacturing Prototyping bei Festo, sprach mit Stefan Rädler von 1zu1 über das richtungweisende 3D-Druck-Projekt in Leichtbauweise.
Die BionicBee muss leicht sein. War der 3D-Druck für die komplexe geometrische Struktur des Rahmens von Anfang die angedachte Fertigungsmethode?
Mattias-Manuel Speckle: Ja, die additive Fertigung bietet absolute geometrische Freiheit. Ohne verfahrensbedingte konstruktive Einschränkungen können zahlreiche Funktionen kombiniert werden. Das spart Bauteile, verringert das Gewicht und erlaubt eine effiziente Leichtbauweise. Sie ist die Grundvoraussetzung für die Manövrierfähigkeit und Flugdauer der Biene – also für den Projekterfolg. Unsere Entwicklungsabteilung hat das Design des Stützrahmens Schritt für Schritt optimiert und wir haben die Prototypen bei uns in der Abteilung gedruckt. Bei der fünften Version war bei einem Gewicht von 12 Gramm Schluss.
Woran lag das?
Mattias-Manuel Speckle: Wir hatten die Grenzen der Technologie erreicht. 3D-Druck ist ja nicht gleich 3D-Druck. Feine Strukturen sind auch mit der Stereolithografie möglich. Solche Teile halten aber keinen Belastungen stand. Mit unserer Selektiven Lasersinteranlage (SLS) können wir professionelle Teile mit Serieneigenschaften fertigen – aber nur bis zu einem gewissen Maß. Irgendwann spielt auch das Material nicht mehr mit. Für die BionicBee konnten wir intern zwar etwas leichtere Teile drucken, doch die gingen spätestens bei der Landung zu Bruch – meist überlebten sie nicht mal das Auspacken.
Dann kam 1zu1 mit FDR ins Spiel?
Mattias-Manuel Speckle: Genau. Wir greifen bei speziellen Anwendungen schon länger auf die Dienste von 1zu1 im Vakuumguss und im 3D-Druck zurück. 1zu1 garantiert als zuverlässiger Partner hohe Qualität und Termintreue – auch dank guter Kommunikation. Bei früheren Projekten konnten wir uns schon von der enormen Leistungsfähigkeit der FDR-Technologie überzeugen. Das waren aber kleine, filigrane Bauteile. Bei der BionicBee ging es jedoch um ein 20 Zentimeter langes und je 9 Zentimeter breites und hohes Element.
Ganz andere Dimensionen also – auch für 1zu1?
Stefan Rädler: So große Teile sind selten, aber genauso machbar wie die für FDR prädestinierten Miniaturbauteile. Der Stützrahmen der BionicBee gelang trotz des außergewöhnlichen Formats ohne Genauigkeitsverluste und mit stabilen mechanischen Eigenschaften. Das Projekt lieferte den Beweis: FDR ist auch für Teile dieser Größenordnung serienreif. Natürlich spielte das auf die additive Fertigung zugeschnittene Design von Festo mit hinein: Die Drahtkonstruktion kommt mit wenig Masse aus, so bleibt der Verzug gering.
Beim Flugobjekt BionicBee ist das Material zentral. Es muss leicht, biegsam und robust sein. Brachte die FDR-Technologie den entscheidenden Vorteil?
Stefan Rädler: FDR nutzt den Werkstoff PA11. Das Material ist zäher und zugleich flexibler als das vom herkömmlichen Lasersintern bekannte PA12. Die Bruchdehnung ist etwa doppelt so hoch. So sind genauere und robustere Bauteile mit komplexen geometrischen Strukturen möglich.
Wie erlebte Festo den Technologiewechsel?
Mattias-Manuel Speckle: Die Resultate haben uns sofort begeistert und die Weiterentwicklung deutlich beschleunigt. Wir hielten die Bauteile schon ein paar Tage später in der Hand, konnten sie sofort im Labor testen und das Design weiter verbessern. Die Streben wurden immer dünner und weniger. Zuletzt verschwand auch das dekorative Hinterteil. Das besteht nun stattdessen aus ultraleichter Modellbaufolie. So schmolz das Gewicht Schritt für Schritt von 12 auf 3 Gramm.
Die BionicBee wurde im April 2024 bei der Hannover Messe präsentiert. Dort flogen gleich sechs Exemplare durch die Messehalle. Waren Zeitplan und Stückzahl ein Faktor?
Stefan Rädler: Es war sportlich (lacht). Das finale Design stand Ende Februar 2024. Wir mussten für die Messe in kurzer Zeit 20 Teile drucken, die dann per Handarbeit zusammengebaut wurden. Das ging nur mit Teillieferungen, guter Abstimmung und Kurierdiensten.
Wie geht es jetzt weiter?
Mattias-Manuel Speckle: Vielleicht machen wir noch einen Sprung und verfeinern das Design weiter. Das Potenzial ist vorhanden. Mit der FDR-Technologie sind sogar Durchmesser von 0,6 Millimetern möglich. So könnten wir nochmal 1 Gramm einsparen. Abseits der BionicBee sind wir mit 1zu1 auch in Sachen Serienfertigung im 3D-Druck aktiv – da suchen wir gerade gemeinsam nach geeigneten Anwendungen. Es bleibt spannend!
Im Gespräch: Mattias-Manuel Speckle ist Leiter Additive Manufacturing Prototyping bei Festo und fertigt dort Prototypen und Serienteile mit 3D-Druck-Verfahren. Bei 1zu1 begleitet Stefan Rädler die Projekte des Weltmarktführers für Automatisierungstechnik. Joshua Köb führte das Gespräch.